Keine Urbanität ohne Dörflichkeit. Das Böhmische Dorf als Stadtlabor

Vom 30. Juni bis zum 22. September 2012 fand anlässlich des 275-jährigen Bestehens des Böhmischen Dorfes in Berlin-Neukölln die Ausstellung „Keine Urbanität ohne Dörflichkeit“ in der Galerie im Saalbau statt. Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie der TU Berlin. Sie wurde von Studierenden der TU Berlin gemeinsam mit Prof. Dr. Cordelia Polinna und der Designerin Sophie Jahnke konzipiert und umgesetzt.

Das Böhmische Dorf ist eine Idylle mit bäuerlich anmutenden Gassen und Gärten, ein Dorf mit U-Bahnanschluss, in dem sich seit seiner Entstehung vor 275 Jahren ländliche und urbane Eigenschaften miteinander verbinden, und das von vielen verschiedenen Ethnien geprägt ist. Zu einem „richtigen“ Dorf gehören nicht nur eine Kirche, eine Schule oder ein Dorfplatz, sondern natürlich auch Gasthäuser, Läden und andere wichtige Treffpunkte der dörflichen Gemeinschaft. Das war in den 275 Jahren, seit denen die Böhmen und ihre Nachfahren unweit der Karl-Marx-Straße leben, nicht anders als heute. Diese so entstehenden dörflichen Strukturen waren unerlässlich für das Prosperieren von Böhmisch-Rixdorf, denn sie ermöglichten enge soziale und räumliche Netzwerke, die für das Leben am Rande einer Großstadt hilfreich waren.

Auch heute – so die These der Ausstellung – spielen als „dörflich“ zu bezeichnende enge soziale Verflechtungen ein wichtige Rolle für Migranten, um in der neuen Heimat anzukommen und mit den vielfältigen Herausforderungen, die sich dort bieten, umzugehen. Und ist es nicht so, dass jeder Großstadtbewohner, auch wenn er das anonyme Großstadtleben schätzt, sich sein eigenes kleines Dorf in der Stadt „bastelt“ – mit Stammcafé, Lieblings-Obstverkäufer und bevorzugtem Treffpunkt für den Schwatz mit den Nachbarn?

Über historische Recherche, Begehungen sowie über Interviews mit Bewohnern, Gewerbetreibenden und anderen Akteuren des Quartiers wurden Orte der Migration im Gebiet definiert, die – natürlich nur subjektiv – als solche wahrgenommen werden, aber dennoch viel über den Charakter des Quartiers, die Nutzung von städtischen Räumen und ihre Geschichte aussagen. Die Orte verdeutlichen, wie verschiedene (Migranten)Gruppen das Gebiet prägen und es zu einem Stadtlabor machen, in dem ausgetestet wird, wie Menschen verschiedenster ethnischer, kultureller und sozialer Hintergründe miteinander leben können. Die Ausstellung stellt etwa 25 historische und aktuelle Orte der Migration in Rixdorf vor. Zudem gibt sie einen Überblick über die Siedlungsgeschichte des Böhmischen Dorfes. Außerdem sind die Studierenden der Frage nachgegangen, was die Begriffe Dorf, Stadt und Urbanität bedeuten und wie sich dörfliche Strukturen heute im Norden Neuköllns manifestieren. Ab Anfang August sollen die ausgewählten Orte im Stadtraum markiert werden.

Bei Fragen zur Ausstellung wenden Sie sich bitte an Cordelia Polinna (c.polinna@tu-berlin.de).

30. Juni bis zum 22. September 2012
Galerie im Saalbau, Karl-Marx-Straße 141, 12043 Berlin, Tel.: 030-90239-3772
Öffnungszeiten: Di – So 10–20 Uhr